Glück macht Sinn – und umgekehrt
1.09.2011
Seien wir doch mal ehrlich
3.06.2013

Peter Bichsel schreibt in einer seiner Kolumnen von einem Mann, der keine Frau und keine Kinder hat, der keinen richtigen Beruf hat, keinen Wohnsitz, von dem man nicht weiss, wann er kommt und wann er wieder geht. Er beschreibt ihn mit dem kurzen Satz: „Er hatte sich nie entschieden“. Er erwähnt in keinem Satz seine Freiheit sondern schreibt lediglich, dass er sich nicht entschieden hat.

Als Projektleiter bin ich immer wieder aufgefordert, einen Plan B vorzulegen, ein Fallback Scenario für den Fall des Scheiterns. Ich finde, dies ist eine legitime Forderung, auch wenn ich sie nicht gerne erfülle. Notfallszenarien fördern keine Spitzenleistungen, sie fördern das Mittelmass.

Wussten Sie, dass Barfusslaufen vor Verletzungen schützt? Laut einer Studie der Harvard University verletzen sich Läufer, die ohne Schuhe laufen paradoxerweise weniger als Läufer mit Schuhen. In Schuhen wähnen wir uns offenbar in einer vermeintlichen Sicherheit und sind nicht mehr vorsichtig. Mit einem Plan B ist es meines Erachtens ähnlich: Wir haben im Hinterkopf die Sicherheit des Alternativ-Plans und konzentrieren uns deshalb nicht mehr mit voller Kraft auf den Plan A.

Für die wichtigen Dinge im Leben gibt es keinen Plan B. Ich kann mich nicht darauf vorbereiten, was passiert, wenn ich ein Kind verliere oder meine Partnerin. Es ist absurd, hierfür einen Plan B zu haben. Ich kann nicht einmal einen funktionierenden Plan B in der Tasche haben für den Fall, dass ich meinen Job verliere. Es ist weder meinem aktuellen noch einem zukünftigen Auftraggeber gegenüber fair. Jeder Kunde verlangt von mir vollen Einsatz für den aktuellen Auftrag – und dies ist sein gutes Recht.

Rilke schreibt in einem Brief an einen Herrn Kapus auf die Frage, ob er Dichter werden sollte: „Fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: muß ich schreiben? Graben Sie in sich nach einer tiefen Antwort. Und wenn diese zustimmend lauten sollte, wenn Sie mit einem starken und einfachen ich muß dieser ernsten Frage begegnen dürfen, dann bauen Sie Ihr Leben nach dieser Notwendigkeit.“ Ich bin mir bewusst, dass „müssen“ nicht modern ist. Glauben wir der Werbung, ist es unser Traum, soweit wie möglich in Freiheit zu leben und ohne Zwänge. Also lieber noch einen Plan C – G, damit wir spontan wählen können anstatt uns zu entscheiden. Sicherlich, auch das geht. Aber es führt nicht zu herausragenden Leistungen. Es kann nicht. Ich glaube, es ist in allen Bereichen so: im Sport, in der Musik, in der Wirtschaft; die herausragenden Personen hatten nie eine Chance oder eine Möglichkeit, etwas anderes zu tun und haben darum alles auf diese eine Karte gesetzt. Sei es nun aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen: Sie konnten sich nicht auf einen Plan B abstützen und mussten daher Alles geben, dass Plan A glückt.

Warum aber dann fordern wir immer wieder einen Ausweichplan für weniger wichtige Dinge? Die Frage ist einfach zu beantworten: Wir möchten eine Versicherung gegen das Scheitern. Wir möchten uns absichern für den Fall, dass etwas nicht so kommt, wie wir es möchten. Dies ist nur allzu menschlich – ich möchte das auch. Aber ich bin der Meinung, dass es uns mehr schadet als nützt. Es erzieht uns zum Mittelmass. Wir können immer nur einen Teil unserer Zeit und Ressourcen für Plan A einsetzen, der Rest muss sich um Plan B kümmern. Anstatt alle Ressourcen für die saubere Planung eines Projektes einzusetzen, verzetteln wir uns, indem wir mehrere Szenarien planen. Dies wäre nur bei unbegrenzten Ressourcen möglich und sinnvoll. Aber auch dann käme das Problem dazu, dass wir uns in falscher Sicherheit wähnen, dass wir ja dann noch einen Ausweichtermin haben, einen Joker, ein Ass im Ärmel und dadurch wird es sehr schwierig, noch alle Energien auf Plan A zu konzentrieren. Es braucht etwas Mut, auf eine Alternative zu verzichten, aber ich bin mir sicher, dass es sich lohnt. Vor allem, weil wir in den wichtigen Dingen in unserem Leben keine Alternative haben können.

In einer Episode der „Pinguine aus Madagaskar“ sagt King Julien: „Wir haben keinen Plan. Wir haben etwas Besseres: wir haben Zuversicht.“

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